22.11.2017

Medizinstudium mit Kind

Diesen Blog habe ich ursprünglich begonnen, um Erfahrungen von Medizinstudentinnen oder Ärztinnen mit eigener Familie zusammen zu tragen und zu teilen. Gleich nach dem Start verlor ich jedoch den Mut und habe den Blog nicht mehr weitergeführt.

Die Idee liess mich aber nie ganz los. Den Anstoss hat nun eine befreundete Ärztin gegeben, welche von Studienanfängerinnen mit Kinderwunsch gefragt wird, ob und wie Familie und Arztberuf überhaupt geht. Bislang habe ich mehr Erfahrung als medizinstudierende Mama als im Spital Tätige. Deshalb freue ich mich umso mehr, nun doch den ersten Erfahrungsbericht hier auf dem Blog zu veröffentlichen. Den Beginn machen Kerstin und ich. Wir beide sind während dem Studium Mama geworden und arbeiten mittlerweile als Assistenzärztinnen.

Falls Interesse besteht, Erfahrungsberichte von anderen Mütter oder Väter mit Kinder zu lesen, welche Medizin studieren oder als ÄrztInnen arbeiten, dann schreibt mir doch! Besonders freuen würde ich mich, wenn ich sogar die Erfahrungen von euch hier (anonym oder nicht) veröffentlichen dürfte.

Da ich nicht möchte, dass man durch googlen von meinem Namen auf meinen Blog geführt wird, wird mein Erfahrungsbericht weiterhin namenlos bleiben.




Kerstin und ich haben 2016 das Medizinstudium (beide in Regelstudienzeit von 6 Jahren) an der Universität Basel abgeschlossen. Den Text entstand für die damalige Staatszeitung und ist also schon mehr als ein Jahr alt.

Kerstin (2 Söhne, geboren August 2013, 7tes Semester und März 2016, 12tes Semester)

Auch unsere beiden Söhne sind Wunschkinder. Da ich bereits eine Ausbildung zur Physiotherapeutin gemacht habe bevor ich mit dem Medizinstudium angefangen habe, wollte ich mit der Familiengründung nicht mehr allzu lange warten. Nachdem es andere im Kurs vor gemacht haben habe auch ich mich getraut mein erstes und weil es so gut ging, auch das zweite Kind im Studium zu bekommen.  Beim ersten war es ja relativ egal zu welcher Zeit es kommt. Das Herbstsemester nach der Geburt war ich krankgeschrieben und musste daher nicht zu den Lehrveranstaltungen kommen. Das Einzeltutoriat habe ich dann während der Semesterferien im Winter und dem Frühjahressemester absolviert. Meine Mutter hat während des Einzeltutoriates, den klinischen Fällen und dem Arzt-Patienten Unterricht auf unseren Sohn aufgepasst. Zu den Vorlesungen bin ich nicht mehr gegangen, sondern habe mit den Skripten von zuhause aus gearbeitet. Mit einem Jahr kam unser Sohn dann in die Kita. Anfangs von 9-14 Uhr und im Wahlstudienjahr dann von 7-17 Uhr. Beim zweiten Kind haben wir uns dann schon genau überlegt wann der beste Zeitpunkt wäre und geschaut, dass der Geburtstermin 1-2 Monate nach dem Wahlstudienjahr liegt, um vor der Geburt noch etwas Pause zu haben. Ich habe mit den Chirurgischen Fächern angefangen und mit Pathologie aufgehört. Ausserdem habe ich den dritten Schwangerschaftsmonat frei gelassen, da ich beim ersten Kind in dieser Zeit die meiste Übelkeit hatte. Die Einteilung war für mich optimal.
Das Wahlstudienjahr war schwanger schon eine grosse Herausforderung, aber es war machbar. Und im Berufsleben später hat man ja dann auch nicht die ganze Schwangerschaft frei.
Für das Staatsexamen habe ich bereits im Februar angefangen zu lernen und mir den 100 Tage Lernplan so eingeteilt, dass ich immer das Wochenende frei habe, über die Geburt zwei Wochen frei hatte und im Sommer noch zwei Wochen in den Urlaub kann. Gelernt wird wenn der Kleine schläft und der Grosse in der Kita ist. So schaffe ich 4-5 Lernstunden pro Tag und in der Regel 4-5 Lerntage pro Woche.
Ich habe es sehr genossen, dass ich mir die Zeit im Studium selbst einteilen konnte und somit sehr viel Zeit mit meiner Familie verbringen konnte.



Ich (1 Sohn, geboren im März 2013, 6tes Semester) 

Unser Sohn ist ein absolutes Wunschkind und das (Zweit)Studium habe ich bereits begonnen mit dem Plan, während des Studiums eine Familie zu gründen. Für das erste Semester vor dem Bachelor war ich wegen Schwangerschaftskomplikationen krankgeschrieben und habe komplett alles im Selbststudium vom (Spital)bett aus gelernt. Nach der Geburt, im 4. Jahr, hatten wir unsere Tante, die den Kleinen 1- 2 Nachmittage pro Woche (für die Pflichtveranstaltungen) gehütet hat. Sie war so flexibel, dass ich die Wochentage ganz frei wählen konnte. Ein Segen, da mein Mann im stark verschulten Zahnmedizinstudium plus Nebenjobs während dem Semester nicht gross hüten konnte. Für die klinischen Fälle haben Mitstudentinnen geschaut, das Einzeltutoriat habe ich in den Semesterferien absolviert. Vorlesungen angeschaut habe ich während den Schlafenszeiten des Kleinen. Für das 5. Jahr (mit 18 Monaten) haben wir zusätzlich zu meiner Tante uns 40% Uni-Kita als Fremdbetreuung geleistet. In Basel ist 40% das Minimum, das man in der Kita belegen kann. Das Unterassistenzjahr habe ich bereits im Februar mit 60% begonnen, bis Juni, danach 100% für 6 Monate. Mein Mann hat passenderweise im Juli sein Staatsexamen in Zahnmedizin bestanden und danach 50% in einer Zahnarztpraxis (plus Dissertation) gearbeitet, so dass wir bei 60% Fremdbetreuung bleiben konnten. An unserer Betreuungssituation (40% Kita, 10% Tante, 10% meine Mutter) hat sich seither nichts geändert. Nun während der Vorbereitungszeit für das Staatsexamen lerne ich insgesamt 3.5 -  4 Tage die Woche, die restliche Zeit ist Mama-Zeit. Für uns hat es so gepasst. Dadurch, dass wir lange Zeit beide studierten, hatten wir zwar wenig Geld, aber lange Semesterferien, wo wir unsere Familienzeit ausgiebig geniessen konnten. Kinder sind einfach wunderbar und manches wird wieder in die richtige Relation gerückt.

Tipps
  • Nicht in die Vorlesungen gehen, sondern von zu Hause aus selber nachlesen. Dank OLAT ist man ja sehr flexibel. Und so kann die Lernzeit auch um halb 5 Uhr morgens oder spätnachts beginnen (wenn die Kleinen noch schlafen und man selbst noch munter ist) und hat dann einen ganzen Mama-Tag vor sich. Lässt sich so ideal vereinbaren!
  • Für die unregelmässig angesetzten „klinischen Fälle“ und „PoT“s: einfach die Kleinen mitnehmen und von kinderliebenden Mitstudenten für die Stunde betreuen lassen. Durch das „Reissverschluss-System“ der Gruppen hat immer die andere Hälfte des Jahreskurses frei.
  • Masterarbeit und Dissertation bereits frühzeitig beginnen. Während dem Studium ist es noch normal (und man hat mehr Zeit), solche gratis-Arbeit zu leisten und die Aversion ist geringer. Ausserdem gibt es bei den Arbeiten immer wieder längere Wartezeiten, die während dem Studium besser genutzt werden können.
  • „Einzeltutoriat“: wenn möglich bereits während den Semesterferien absolvieren (im Sommer vor dem 4. Jahr und im Winter). Dadurch wird das Semester erheblich entschleunigt.
  • „Unterassistenzzeit“: noch immer ein Knackpunkt, da diese 9 Monate offiziell in 10 Monaten absolviert werden müssen. Teilzeit wäre von den Spitälern ok, aber von der Uni leider (noch?) nicht. Trotzdem gibt es die Möglichkeit, 3 Monate auf 5 Monate aufzuteilen und so bereits im Februar (statt April) zu beginnen und nur 60% während der ganzen Zeit zu arbeiten. Die Pflichtveranstaltungen des WIMOs verteilen sich auf insgesamt ca. 7 Tage, die sich mit 60% Uhu-Zeit gut vereinbaren lassen. Psychiatrische Klinik in Basel ist dafür ideal... 

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